Ein neues Buch erzählt die Geschichte der Schifffahrt im Berner Oberland. Projektleiter Samuel Krähenbühl spricht über neue Erkenntnisse, wiederentdeckte Fotos und von einem spektakulären Fund auf dem Estrich seines Urgrossvaters.
Samuel Krähenbühl (SK): Die Schiffe gehören zu Thuner- und Brienzersee wie Eiger, Mönch und Jungfrau oder das Brienzer Rothorn. Es gibt kein Werk, das die bald 200-jährige Geschichte der Kursschifffahrt im Berner Oberland so umfassend, detailliert und reich bebildert beschreibt.
Aus meiner Sicht etwas vom Herausragendsten ist das Dampfschiff Oberland. Ein Schiff, über das man heute nicht mehr oft spricht. Als es 1870 auf dem Brienzersee in Betrieb kam, war es das erste Salondampfschiff in der Schweiz und sogar eines der ersten weltweit. Vorher hatte man Glattdecker ohne Aufbauten. Es ist auch ein spezielles Schiff, weil es wie eine Fähre symmetrisch gebaut wurde. Dies, weil die Schiffe auf dem Brienzersee längere Strecken rückwärts fahren.
Wir haben das Buch komplett überarbeitet. Es hat sehr viel mehr Inhalt, neue Erkenntnisse, mehr Bilder, insbesondere auch Farbbilder. Cool ist, dass viele alte Bilder gefunden wurden.
Da hat das Internet geholfen. Das ist ein grosser Vorteil der globalen Vernetzung, dass man sich austauschen kann.Zum Beispiel haben wir in Facebook-Gruppen Bilder gefunden. Jemand aus Übersee hat dort Bilder aus einem privaten Fotoalbum gepostet von einem Ausflug auf dem Dampfschiff Beatus in den 1960er-Jahren. Das ist das Bemerkenswerteste am Buch: Es zeigt Bilder bis ins 19. Jahrhundert zurück, die bisher nicht bekannt waren. Es gab auch Zufallsfunde. Meine Familie hat ein Bild beisteuern können, was mich besonders freut.
Im Zusammenhang mit einem anderen Buch über das Justistal haben wir Glasplatten von meinem Urgrossvater digitalisieren lassen. Er hat Anfang der 1930er-Jahre mit Farbdias experimentiert. Aus dieser Zeit kamen Bilder zum Vorschein, die er in Thun gemacht hat. Darunter eines vom Dampfschiff Bubenberg. Wie sich herausgestellt hat, ist dies das älteste bekannte Farbfoto eines Binnenseedampfers in ganz Europa. Das Bild lag jahrzentelang mit 450 anderen in Sigriswil auf dem Estrich meiner Urgrosseltern. Jetzt wurde es zum ersten Mal abgedruckt. Das macht mich etwas stolz.
Samuel Krähenbühl
In den 1970er-Jahren begann das Autorenteam Erich Liechti, Jürg Meister und Josef Gwerder, Bücher über die Schifffahrt zu schreiben. 1986 gaben sie zum ersten Mal das Buch über die Geschichte der Schifffahrt im Berner Oberland heraus. Durch dieses erste Buch bin ich zur SChifffahrt gestossen. Mein Vater hat sich das Buch zu Weihnachten gewünscht. Damals war ich 8- oder 9-jährig und fand das super. Ich konnte das Buch beinahe auswendig! Die zweite Auflage von 2002 wollte ich auch haben. Nun hat es sich ergeben, dass ich an der dritten Ausgabe mithelfen durfte. Erich Liechti und Jürg Meister sind beide über 80 Jahre alt. Darum war es ein guter Zeitpunkt, das Buch jetzt zusammen mit ihnen und einem erweiterten Autorenteam zu überarbeiten.
Die funktionelle Rolle der Farbe stand früher im Vordergrund. Sie schützt Holz und Eisen. Deshalt hat man die Unterschiffe mit Teerfarbe gestrichen und diese häufig bis nach oben gezogen. So waren die Schalen früher schwarz. Die Farben unterlagen auch den Modeströmungen und hängen mit den kunsthistorischen Epochen zusammen. Die Beigetöne haben sich dabei fast zufällig ergeben. Manchmal waren sie heller, manchmal dunkler. Auch die Grün- und Grautöne waren nicht standardisiert. Das ist ein Unterschied zu heute. Was aber sicher ist: Das Dampfschiff Blümlisalp hat nie so ausgesehen wie heute. In der Ära der grünen Töne war die Schale nicht weiss.
Aus meiner Sicht gibt es die Variante in weiss, wie sie in den 1960er-Jahren aussah. Der Klassiker wäre mit dem beigen Streifen wie das «Spiezerli». Falls man bei den Grüntönen bleiben möchte, müsste man sich vertiefter mit dieser Epoche auseinandersetzen. Rein denkmalpflegerisch müsste man versuchen, annähernd einen Zustand herzustellen, den es in irgendeiner Form einmal gegeben hat. Beim «Spiezerli» ist es nicht der Ursprungszustand. Aber es sieht heute ungefähr so aus wie in der letzten Phase, als es noch ein Dampfschiff war. Das finde ich einen guten Kompromiss. Auch den Innenausbau finde ich sehr schön.
Man hat das nicht gewollt, der technische Aspekt stand im Vordergrund. Jedoch sind Bilder aus dem Innern der Schiffe aufgetaucht. Im Buch zeigen wir eines von einem Essen auf dem Motorschiff Stadt Bern in den 1960er-Jahren. Bei aller Begeisterung für die Dampfschiffe gerät es in den Hintergrund, dass wir auf beiden Seen wunderschöne Motorschiffe haben, deren Erbe zu wenig hochgehalten wird. Im Prinzip ist man daran, die älteren Motorschiffe verschwinden zu lassen, wie man es vor Jahrzehnten mit den Dampfschiffen gemacht hat. Ich finde das bedauerlich.
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