WINTER IN DER SCHIFFWERFT

Wenn der Kapitän zum Reinigungsexperten wird

Die BLS-Personenschiffe, die auf Thuner- und Brienzersee verkehren, werden in den Wintermonaten gewartet und generell wieder auf Vordermann gebracht. Was passiert mit den Schiffen in der Werft konkret?

Es herrschen fast chatoische Verhältnisse auf der altehrwürdigen, 1906 erbauten Blümlisalp, die in den Wintermonaten im Thuner Lachenkanal ruht. Der restaurierte Salon des Dampfers erinnert derzeit an ein provisorisches Möbellager. Von glanzvollem Jugendstil-Ambiente keine Rede. Bänke, Stühle und Tische stapeln sich, Seile, Kabel, Rettungsringe und Abfalleimer liegen auf dem Parkett herum. Im Untergeschoss sind Handwerker beschäftigt, im Motorenraum sind Maler und Spengler am Werk. Es riecht nach Farbe und Öl. Und es ist bitterkalt, minus 2 Grad an diesem Montag im Februar. Auf dem Oberdeck des über 60 Meter langen Raddampfers liegen zehn Zentimeter Schnee.

Neuer Hilfsdieselmotor

So wie die meisten Personen schiffe der BLS, wird auch die Blümlisalp in der Werft gewartet und gereinigt. Motoren, Leitungen, elektrische und andere Anlagen werden kontrolliert, getestet und überprüft. Damit nicht genug: Die Blüemlere, die Anfang der 1990er-Jahre von Vaporama gerettet und restauriert wurde, erhält derzeit einen neuen Hilfsdieselmotor – und eine neue Heizung. Muss das sein? «Ja», sagt Ralph Darmstädter, bei der BLS-Schifffahrt verantwortlich für Technik und Infrastruktur: «Das Schiff wurde vor 25 Jahren umfassend saniert und nach einer langen Zeit des Stillstands wieder in Betrieb genommen. Die Komponenten von damals sind am Ende ihrer Lebenszeit angekommen.»

Modernste Euro-5-Technologie

Tatsache ist: Mit dem Ersatz des Bordaggregates erhält das 111-jährige Dampfschiff einen Dieselmotor mit modernster Euro-5-Technologie sowie eine Abgasreinigungsanlage nach neuesten Normen. Laut Ralph Darmstädter wird dadurch der Ausstoss von schädlichen Stoffen um bis zu 40 Prozent reduziert. Und durch die exakte Auslegung der Abgasreinigungsanlage werde diese im optimalen Leistungsbereich betrieben, was zu einer Reduktion des Kraftstoffverbrauchs von bis zu 30 Prozent führt.

Der Ausstoss von schädlichen Stoffen wird durch den Ersatz des Bordaggregates um bis zu 40 Prozent reduziert. 

Ralph Darmstädter

Grosse Sanierungen nur alle paar Jahre

Wie sieht die ganz normale Wartung eines Schiffes aus? Ralph Darmstädter: «Das ist je nach Schiff sehr unterschiedlich. Einerseits werden kleine Defekte aus der Sommersaison behoben, andererseits werden kleinere Erneuerungsprojekte umgesetzt. Grosse Sanierungen sehen, je nach Einsatzprofil, nur alle paar Jahre an.» Die Wartungsarbeiten hängen stark vom Alter und der Grösse des Schiffes ab. Kontrolliert werden, zum Beispiel, die Motoren. Die Desinfektion und Entkalkung der Wasseraufbereitungsanlagen oder die Kontrolle der Sicherheitsausrüstung sind Aufgaben, die in der Werft zum Standardprogramm gehören. «Sind alle Kontrollen und Arbeiten abgeschlossen, wird das Schiff innen und aussen komplett gereinigt und für den Einsatz ausgerüstet», so Darmstädter.

Wer sorgt für diese Winterarbeiten?

Die Frage drängt sich auf: Wer sind die rund 40 Mitarbeitenden, die in der Werft in Thun und Interlaken Ost Schiffe auf Vordermann bringen? Es sind vor allem Handwerker. Schreiner, Maler, Elektriker, Mechaniker, Metallbauschlosser. Im Winter arbeiten sie in ihrem ursprünglich erlernten Beruf in der Werft, im Sommer sind sie als Schiffsführer, Maschinist oder Kassier im Einsatz. Alle 100-Prozent-Angestellten haben zwei Funktionen. So wie Cornelia Graf, die im Winter als gelernte Malerin Schiffswände streicht und im Sommer als Kassiererin auf dem Schiff Tickets verkauft. Oder Adrian Gfeller, Kapitän und gelernter Rhein-Schifffahrtsmatrose. Im Winter ist er als Leiter der Schiffsaufbereitung in der Werft in Thun im Einsatz.

Ein Ermüdungsbruch auf der Lötschberg

Derzeit bereitet der Dampfer Lötschberg den Schiffsprofis von der BLS Sorgen, denn am Gehäuse des Maschinenstands wurde ein Riss entdeckt. Ralph Darmstädter: «Die Reparatur sieht im besten Falle so aus, dass der Riss von einem Schweiss-Experten der Werkstätte Spiez verschweisst werden kann. Die Schwierigkeit dabei ist die Bestimmung des damals verwendeten Materials. Nicht alle lassen sich ohne Probleme schweissen. Deshalb arbeiten wir mit Messspezialisten der RUAG zusammen, um die Zusammensetzung des Gusseisens zu bestimmen.» Wie aber ist dieser Riss entstanden? «Es handelt sich um einen klassischen Ermüdungsbruch, wie er im Maschinenbau aufgrund wiederholter Grenzbeanspruchung immer wieder vorkommen kann. Das ist nach über 100 Jahren nichts Aussergewöhnliches.»

Komplexer werdende Instandhaltung

Wir betreten das Motorschiff Niederhorn. Überall stapeln sich Kisten, Rettungsringe, Tische, Stühle, Abfalleimer. Frage an Ingenieur Darmstädter: Sind moderne Motorschiffe wartungsfreundlicher als alte Schiffe aus den fünfziger Jahren? «Nein, die Anforderungen an ein modernes Schiff werden immer höher. Dies führt dazu, dass die Schiffe technisch immer aufwändiger und komplizierter werden. Das schläft sich auch in der Instandhaltung nieder. Während früher Hammer und Schraubenschlüssel zum Einsatz gekommen sind, sind es heute Mikrochips und Laptop.»

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